Allein unter Frauen

"Als ich mir den Vibrator gekauft hab´, bin ich in so´n Sex-Shop rein, hab´meinen Amp eingestöpselt und alle von den Dingern ausprobiert, bis ich den genommen hab´. Danach ist mir ´n Typ hinterhergelaufen und hat mich gefragt, ob ich noch ´n Sklaven bräuchte". So Conni Maly über den Kauf ihres eigenwilligen Bottlenecks. Damals lehnte die Gute noch dankend ab, heute jedoch bedienen sich die Slags eines ganzeln Rudels von Leibeigenen, die beschönigend als Roadies ausgegeben werden. Nichtsahnend kam ich in den zweifelhaften Genuss dieser Auszeichnung und der Gelegenheit, das Innenleben einer Mädchen-Gang kennenzulernen. Ich wurde unterdrückt: "Im Auto wird nicht geraucht" - ich bin Kettenraucher. "Mach die Musik leise" - sonst gröhle ich sogar mit. Noch schlimmer: "Fahr doch nicht so dicht auf". Ich hätte es wissen müssen. Immerhin ist die halbe Band rothaarig. Bei jeder Rast eine Besichtigung des örtlichen Süßigkeiten-Angebots. Hab`schon lange nicht mehr so viele Schokoriegel, Gummibärchen, Bonbons etc. auf einmal gesehen. Warum essen Mädchen nur so wahllos und so ´n ekliges Zeug? Überhaupt: Essen war wichtiger als Musizieren ("Ich hab´ Hunger", "Hoffentlich gibt´s Spätzle", "Ich will Mövenpick-Eis"). Der Appetit der Damen wurde höchstens durch ihre Geschäftstüchtigkeit übertroffen. Klar, will ja bezahlt sein, die Völlerei und der Prügelknabe: "Ist das etwa Bier, was Du da trinkst?" - Hilfe, das mir! Die Slags, eigenwillig wie ihr bottleneck, die allen Gerüchteküchen zum Trotz, auch nach der Trennung von Sony, eifrig an ihrer Zukunft basteln, haben erst kürzlich mit "Alive, unchained & out of money" einen würdigen Nachfolger ihrer erstklassigen CD "So what!" vorgelegt. Die preiswerte 7-Track dokumentiert, dass man den Weg weg von allzu straightem Rock mit Glam-Patina konsequent weiter in Richtung trutziger Psychedlic verfolgt. Eine Entwicklung, die nicht zuletzt Bines militant-melancholischen Gesang erst richtig zur Geltung kommen lässt...Tierlieb ist das arbeitsame Quartett übringens auch, wie der Gig im Allgäu zeigte: "Ooh, guck mal, Kühe", "Und da Ziegen, wie süß", "´n Pferd oder war das ´n Schaf?".

Sick Sarge

(1994)

 

Fahr zur Hölle, Liebling!

"Slags" übersetzt mein Englisch-Lexikon mit "Schlacke" oder (familiär) "Feiglinge". Kurz und schnurz könnte man sagen: die "Slags" sind Sonder-Müll der pop-history: ganz schön giftig! Die Richtung ist klar: Die neuen girl-groups und mit ihnen die die Frauen Viererbande aus Frankfurt wollen nicht schön, sondern schmutzig sein - "L 7" und die Folgen! Die Härte dieser Musik ist nicht "Genre", hat zumindest nichts mit den Hardrock-Mustern der 70er und 80er Jahre zu tun. Wenn schon, dann sind die Sixties Bezugspunkt: der rauhe R´n´B, eine rohe street-Authentizität - und die psychedelische Abgedrehtheit der LSD-, "free love" - etc. Ära.

Selten habe ich eine kompetentere, faszinierendere Band in der Mälzerei gesehen: eine Rock-Band, die nicht in die Extreme einer auf die Dauer ödenden Ensemble-"Kompaktheit" oder nervender solistischer Exzesse verfällt; deren "straightness" sich vielmehr der geglückten Collage ausdifferenzierter, auch monomaner Einzelleistungen verdankt. Rock aus dem Bauch - und aus dem Baukasten.

Anja Krafts Bass ist immer und überall - und dabei doch herrlich reduziert und repetitiv. So wie das gelingende Leben selbst eben: Wieder-Holung, Ewigkeit der Lust usw. Die Gitarre der Regensburgerin und Ex-"Donkey Shot"-Debütantin Constanze Maly (was für eine Karriere!) ist mal feedback-nahes Rauschen, dann wieder ein torkelndes Zirpen, hoch oben an der Hörbarkeitsgrenze ... immer aber Stimme des Individuums, ex-zentrisch, revoltierend, nomadisch - und in erregender Weise "auf der Kippe". Auch Suse Michels drums sind frei von den üblichen Männer-Dummheiten in diesem Job, also dem Zuknüppeln, der Schwitzigkeit. Sie ist eine Minimalistin. Ihre beats kommen immer dann, wenn man sie nicht unbedingt erwartet - und doch strukturiert sie auf eine äußerst durchsichtige, packende Weise den Gruppen-Sound; findet sogar noch die Zeit für kleine Kommentare zu ihrem eigenen Spiel - und dem der anderen. Ihre Drums sind Blutpochen ... und Ironie. Eine Göttin, die tanzt. Rotzig und raffiniert ist die Musik der "Slags". Und purer Sex! Bine Morgenstern, knallenge schwarze Lederhose, Bauch frei, ein Gesicht, das Trotz und Versprechen ist!, schreit, kreischt, bellt, lockt ins Mikro ("go to hell!"), bewegt sich dazu in dem seltsamsten Tanz, den ich je gesehen habe und der nur einen Zweck hat: Körperlichkeit zu konstituieren, und ist dabei in fast allem eine Revenante der Zeit zwischen Janis Joplin und Patti Smith: "Bring mich durch die Nacht!". Daneben Conni Maly in Schlag-Jeans und Marianne Faithful-Mähne (o ewige Wiederkehr!) und Anja Kraft, die Unermüdliche, in sportiven Kniefrei-Jeans.

Und sehr viel später, des Nachts in Regensburg, das herrliche "Slags"-Album im Walkman-Ohr. "So what"! Allein diese langen Augenblicke rechtfertigen schon das Deutschland Sublabel "Dragnet" der Sony Corporation!

Helmut Hein "Die Woche", Regensburg

(1992)

 

Hurrraaa....

...die Weiber sind los, einer der tollsten, beliebtesten und schönsten Frauenbands Deutschlands - gemeint ist The Slags aus Frankfurt, wird am 10.5. den Abend eröffnen. The Slags vier Frauen mit Power gründeten sich 1990 und veröffentlichten binnen 3 Jahre drei Platten. Durch einen krachenden, rumpelten, lasziven, stampfenden, spacigen, fluchenden und rock’n’rollenden Sound konnte man schon 1991 einen Major-Vertrag bei Sony unterschreiben. Darauf folgten Touren durch Frankreich, Schweiz und Deutschland, so absolvierte man in Deutschland innerhalb von einem Jahr nahezu 100 Auftritte.Danach entschloß man sich, sich von dem Major-Vertrag bei „Sony“ zu trennen. Die musikalische Entwicklung der Band einerseits und die Erwartung der Firma anderseits, waren so gegenläufig, daß The Slags mit einem letzten „SoWhat“ um die Auflösung des Vertrages baten und sich nach einem symphatischen Independentlabel umsah. Dies fand man dann auch rechtzeitig zu der 6-wöchigen anstehenden Tournee vom Wuppertaler Label „Subway Records“. Über Rough Trade veröffentlichte dieses Label nach „So What“ die nächste Platte „Alive, Unschained & Out of Money“. Auf vielen Live-Konzerten inzwischen erprobt wird im Septemper 94 die Idee geboren, eine CD ausschließlich mit ausgewählten Cover-Versionen aufzunehmen. Rechtzeitig zur Tournee im Mai 1995 wird eine neue CD erscheinen.

G.M.O.

(1995 Conne Island/Leipzig, the Slags & 18th Dye)

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